Die Volksbühne Berlin: Wie aus dem Arbeiter- ein Avantgarde-Theater wurde

Die Volksbühne Berlin: Wie aus dem Arbeiter- ein Avantgarde-Theater wurde

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Für Theaterfreunde ein Muss: die Volksbühne Berlin am Rosa-Luxemburg-Platz. Hier wurden seit der Eröffnung am 30. Dezember 1914 einige der interessantesten deutschen Produktionen uraufgeführt. Größen wie Erwin Piscator, Benno Besson und Frank Castorf schrieben an diesem Ort Theatergeschichte. Erfahren Sie mehr über die bewegte Geschichte des Hauses, die Reihe von legendären Intendanten und welche Highlights der aktuelle Spielplan bereithält.


„Die Kunst dem Volke“

Die Errichtung der Volksbühne Berlin geht auf die sogenannte Volksbühnenbewegung Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Von sozialdemokratischen Ideen inspiriert, sollte auch Arbeitern die Möglichkeit geboten werden, günstig Theatervorstellungen zu besuchen. Die Werktätigen zahlten dafür den „Arbeitergroschen“, um die Baukosten zu decken. Das hatte auch den Vorteil, dass die Volksbühne als unabhängiges Theater weniger stark von der kaiserlichen Zensur betroffen war.

Der Bau der Volksbühne Berlin erfolgte in Rekordzeit. Gerade einmal 16 Monate vergingen von der Grundsteinlegung im September 1913 und der Eröffnung im Dezember 1914 – und das, obwohl in der Zwischenzeit der erste Weltkrieg begonnen hatte. Als Architekt konnte der berühmte Oskar Kaufmann gewonnen werden. Mit dem geschweiften Dach, der Muschelkalksteinfassade und den sechs kolossalen Rundpfeiler erschuf er ein markantes Wahrzeichen des modernen Berlins. Den Idealen der Volksbühne verlieh die Inschrift über den Pfeilern Ausdruck: „Die Kunst dem Volke“.

Nicht ganz so reibungslos wie der Bau verlief die Premiere. Die Drehbühne versagte ihren Dienst, weshalb die geplante Aufführung von Goethes „Götz von Berlichingen“ kurzfristig abgesagt werden musste. Stattdessen gab das Ensemble das Lustspiel „Wenn der junge Wein blüht“. Mit dieser leichten Komödie des Norwegers Björnstjerne Björnson blieb das Haus notgedrungen hinter seinen hohen künstlerischen Ansprüchen zurück. Das sollte sich in den Folgejahren allerdings ändern.


Die berühmten Intendanten der Volksbühne

Die Sonderstellung der Volksbühne unter den Theatern in Berlin ist wesentlich an seine Intendanten geknüpft. Der legendäre Erwin Piscator begründete in den Jahren 1924–1927 den Ruhm der Volksbühne als progressives, experimentierfreudiges Theater. Sein politisches Theater traf den Nerv der Zeit, sorgte aber auch regelmäßig für Schlagzeilen. Mit seinen Bühnenprojektionen und dem Einsatz von filmischen Mitteln war er Wegbereiter für das epische Theater Bertolt Brechts. Bei der Uraufführung von Ehm Welks „Gewitter über Gottland“ kam es allerdings zum Eklat: Dem Vorstand der Volksbühne ging die sozialrevolutionäre Interpretation Piscators zu weit, der Intendant verließ im Streit das Haus.

Auch zu DDR-Zeiten ging von der Volksbühne Berlin eine große künstlerische Strahlkraft aus, besonders in den Jahren des Schweizer Intendanten Benno Besson. Bekannt wurden die Theaterfeste der Volksbühne, bei denen die Schauspieler sowohl auf der Bühne als auch im Foyer und im Hof auftraten. Indem Besson auch jungen Regisseuren wie Manfred Karge und Matthias Langhoff ein Forum bot, erhielt das Ensemble viele frische kreative Impulse.

In jüngerer Zeit ist die Ära von Frank Castorf zu erwähnen, der die Wahrnehmung der Volksbühne nach der Wende stark geprägt hat. Gleich im ersten Jahr seiner Intendanz wurde der Volksbühne der Preis „Theater des Jahres“ verliehen – eine Auszeichnung, auf der sich Castorf aber nicht ausruhte. Sein postdramatischer Theaterstil war unter anderem durch den Einsatz von Videokameras und Leinwänden geprägt. Auch vor Verfremdungsmitteln wie Unsinn, Slapstick und Zoten scheute seine Experimentalästhetik nicht zurück, was ihn bei jungen Theaterbesuchern zu einer Kultfigur machte. Unvergessen bleiben auch seine sechs- bis achtstündigen Faustinszenierungen, die den Besucher erst morgens früh wieder in die Wirklichkeit entließen.

Die Entscheidung, Castorf ab 2017 durch den belgischen Theaterfachmann Chris Dercon zu ersetzen, war hochumstritten. Ein großer Teil des Ensembles und auch viele andere Berliner Intendanten äußerten sich kritisch über den Wechsel, weil eine ideelle Entwurzelung der Volksbühne befürchtet wurde. Tatsächlich blieb Chris Dercon nur für wenige Monate, bevor er durch den Interimsintendanten Klaus Dörr ersetzt wurde. Dieser wird die Geschicke der Volksbühne Berlin noch bis Ende der Spielzeit 2020/21 leiten. Wer der oder die “Neue” wird, ist derzeit ein heiß diskutiertes Thema in Berlins Kulturwelt.

Der vielfältige Spielplan

Die Volksbühne unterscheidet sich von anderen Berliner Theatern durch einen Spielplan, der viele unterschiedliche Genres vereint. Neben dem klassischen Schauspiel wird auch Performance-Kunst auf höchstem Niveau geboten. Das reicht von avantgardistischen Tanzexperimenten wie „Massacre“ der Schweizer Choreografin Alexandra Bachzetsis bis zur Wiedervereinigung der legendären New Yorker Industrial-Pioniere „The Swans“ und ihren Klangcollagen. Aber auch der bildenden Kunst wird in der Volksbühne regelmäßig ein Forum geboten, z. B. als Paul und Damon McCarthy mit der Videoinstallation „Rebel Dabble Babble Berlin“ die Exzesse der Hollywood-Hills-Szene in den 1950er-Jahren wiederauferstehen ließen. Abgerundet wird das vielseitige Programm der Volksbühne durch Veranstaltungen aus den Bereichen Konzert und Literatur. Gerade die aktuelle Spielzeit 2019 hat einen ausgeprägten literarischen Bezug. So gibt das Ensemble eine dramatisierte Version von David Foster Wallaces Mammutwerk „Unendlicher Spaß“, während im Roten Salon zahlreiche Lesungen stattfinden. Aber auch das klassische Schauspiel kommt nicht zu kurz, beispielsweise mit „Lulu“ von Frank Wedekind oder dem “Volksverräter” nach Henrik Ibsen.

Die Volksbühne – ein Garant für lebendige Kultur in Berlin

Das Erfolgsrezept der Volksbühne Berlin: Sie bietet Kunst, die ihre Besucher wirklich berührt und aus der Reserve lockt. Dafür schreckt das Ensemble nicht davor zurück, Grenzen auszuloten und Neues zu wagen. Diese Experimentierfreude hat sich das Theater seit seiner Gründung als Arbeiterbühne bis heute erhalten. Wenn Sie den besonderen Reiz der Volksbühne erleben möchten: Vom GLINT aus ist das legendäre Theater nur einen Spaziergang entfernt. Genießen Sie die lebendige Berliner Theaterkultur!

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